Was sind Stammtisch­parolen?

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Was sind Stammtischparolen?

 

Stammtischparolen: Dieser Begriff ist landauf, landab im gesamten deutschen Sprachbereich bekannt. Eigentlich beschreibt der erste Teil dieses zusammengesetzten Wortes etwas Positives – denn der Stammtisch ist ja eine gesellige Runde aus Bekannten, Freundinnen und Freunden. Da wird zwar auch debattiert, man trifft sich aber grundsätzlich in freundschaftlicher Verbundenheit. Doch darum, um diesen Teil des Begriffes, geht es hier nicht, sondern um den zweiten Teil, die Stammtischparolen. Was damit gemeint ist, wissen fast alle.

Frage ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meiner Seminare, wie sie Stammtischparolen allgemein charakterisieren würden, dann kommt Folgendes heraus:

Stammtischparolen sind…

aggressiv, dogmatisch, verkürzt, pauschal, herabsetzend, diskriminierend, voller Vorurteile, selbstgerecht, Halbwahrheiten, Schwarz-Weiß-Malerei, ausgrenzend, kompromisslos, verallgemeinernd, vereinfachend, rigoros, diffamierend, generalisierend, negierend, emotional, menschenverachtend, „Wir-Gefühl“ erzeugend, einfach strukturiert, mit einem Schein-Wissen versehen …

Demzufolge sind Stammtischparolen drastische Behauptungen, die kein Wenn und Aber zulassen. Sie polarisieren zwischen „wir sind gut“ und „die Anderen sind schlecht“ und richten sich mit harten Urteilen gegen Menschen anderer Herkunft, Hautfarbe, Lebensart, Religion oder sozialer Situation. Diese werden verächtlich dargestellt und am liebsten würden man ihnen diejenigen Rechte wegnehmen, welche die Verkünder und Verkünderinnen solcher Parolen für sich selbst beanspruchen. Stammtischparolen werden immer und überall geäußert: in der Straßenbahn, an der Ladentheke, auf Familienfeiern, im Freundeskreis, im Betrieb, in der Schule, beim Treffen mit Nachbarinnen und Nachbarn, in der Kneipe… Wer Stammtischparolen von sich gibt, ist davon überzeugt, eine verbreitete Mehrheitsmeinung bzw. ein allgemeines Volksempfinden auszudrücken. Widersprüche werden mit Hohn quittiert; diejenigen, die sie einlegen, werden abgekanzelt.

Die Stammtischparole ist ein Stellvertreterbegriff für eindeutige weltanschauliche, vorzugsweise politische Botschaften, für platte Sprüche und für aggressive Rechthaberei. Stammtischparolen sind plakativ und propagieren einfache, meistens auch harte Lösungen. Trotz der Schlichtheit ihres Gehalts ist es keineswegs einfach, sie spontan zu widerlegen. Auch erfüllen sie häufig eine Doppelfunktion: Sie sind Mutmacher und Wutmacher zugleich.

Diese Beschreibung bringt den Zwiespalt auf den Punkt, in dem man sich bei der Einschätzung von Stammtischparolen befindet. Sie werden geäußert, um Mut zu demonstrieren – gleichzeitig enthalten sie viel Wut. Bei denjenigen, die mit ihnen wider Willen konfrontiert werden, lösen sie ebenfalls Wut aus … und mobilisieren hoffentlich auch den Mut, ihnen etwas entgegenzusetzen. Denn diese Parolen sind nicht nur Alltagsgerede; vielmehr können sie politisch genutzt werden – rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien sowie andere Gruppierungen machen gezielt von ihnen Gebrauch.

Klaus-Peter Hufer

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