Was du wissen musst.
Hier findest Du nützliche Informationen über Stammtischparolen und den Umgang mit der App Konterbunt.
Außerdem erfährst Du auf dieser Seite mehr über die Köpfe hinter der App und wie Du mit ihnen in Kontakt treten kannst.
Für wen?
Kurzinfo
KonterBUNT ist eine App, die Informationen und Gegenstrategien zu Stammtischparolen bietet und ermöglicht, diese Strategien spielerisch anzuwenden. Nutzer_innen können sich die App kostenlos auf ihre Smartphones oder Tablets („iOS“ und „Android“) herunterladen oder die App im Browser anwenden. Auf der Website www.konterbunt.de finden sich weiterführende Informationen für Interessierte – Fachtexte, Linklisten und Ansprechpersonen zu konkreten Themen und Fragen.
Eine App gegen Stammtischparolen – warum?
Viele Menschen verspüren das Bedürfnis, gegen Pauschalisierungen, Vorurteile und menschenverachtende Aussagen einzuschreiten. Wenn sie gegen derartige Äußerungen, auch Stammtischparolen genannt, das Wort ergreifen, engagieren sie sich für ein demokratisches Miteinander. Nicht wenigen verschlägt es allerdings die Sprache, wenn sie plötzlich mit solchen Parolen konfrontiert sind. Um diese Menschen zu ermutigen und zu unterstützen – sie sprech- und handlungsfähig zu machen –, hat sich in der politischen Bildung die Methode des Argumentationstrainings bewährt. In einem solchen Training werden die Teilnehmer_innen mit der Funktionsweise von Vorurteilen, Stammtischparolen und Argumentationsstrategien vertraut gemacht. Ein besonderer Fokus liegt darauf, Reaktionsmöglichkeiten zu trainieren; daher dauert ein solches Argumentationstraining auch meist mehrere Stunden bis mehrere Tage. Folglich müssen die Teilnehmer_innen genügend Zeit zur Verfügung haben – weshalb diese Trainings nur für wenige Menschen infrage kommen.
Um die zentralen Inhalte eines Argumentationstrainings möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, hat sich die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung für die Entwicklung einer App zum Umgang mit Parolen entschieden. Die Form einer App bietet besondere Vorzüge: Das Smartphone ist für viele Menschen zu einem alltäglichen Begleiter geworden und hat sich zu einer wichtigen Informationsquelle entwickelt. Artikel, Zeitungen und auch Bücher werden auf dem Smartphone gelesen, Handyspiele erfreuen sich großer Beliebtheit. Das trifft, wie aktuelle Studien eindrücklich belegen, nicht nur auf Jugendliche und junge Erwachsene zu – auch ältere Generationen nutzen das Smartphone zur Informationsbeschaffung und Unterhaltung. Mit der App KonterBUNT können sich interessierte Menschen ortsunabhängig mit beispielhaften Parolen, möglichen Antworten und Strategiehinweisen auseinandersetzen und das Kontern in einem Minispiel erproben.
Was kann KonterBUNT leisten?
Ob im privaten, beruflichen, schulischen oder ehrenamtlichen Kontext: Eine gute Vorbereitung hilft, um im richtigen Moment gegen Stammtischparolen einzuschreiten. Wer sich bereits mit solchen Situationen beschäftigt und über mögliche Reaktionen und Antworten nachgedacht hat, findet auch leichter eine passende Erwiderung. KonterBUNT ermöglicht eine niedrigschwellige und spielerische Auseinandersetzung mit Stammtischparolen, Gegenargumenten und Argumentationsstrategien. Ohne Vorwissen und völlig ortsunabhängig stellt die App einen ersten Zugang zum demokratischen Widerspruch dar. Wir wissen: Das „Daddeln“ am Handy, das kurze Nachlesen am Bildschirm, kann ein intensives Argumentationstraining nicht ersetzen. Aber das ist auch gar nicht unser Ziel.
Die Gewissheit, KonterBUNT immer dabeizuhaben, kann ein Gefühl der Sicherheit geben und damit das Selbstvertrauen stärken – auch wenn in den meisten konkreten Situationen der Blick aufs Handy nicht ohne Weiteres möglich ist. Damit ist die App auch ein Ansatz, um Menschen zu ermutigen, sich überhaupt auf eine Diskussion einzulassen und für eine demokratische Gesellschaft zu streiten.
KonterBUNT liefert kein „Rezept“, um Menschen, die Parolen von sich geben, vom Gegenteil zu überzeugen. KonterBUNT ist auch keine Empowerment-App mit Tipps für Betroffene von Parolen oder Vorurteilen. Vielmehr gilt es, eine Parole nicht unkommentiert stehen zu lassen. Potenziell Betroffenen wird signalisiert, dass sie nicht alleine sind und dass nicht alle Anwesenden die vorurteilsbehaftete Meinung teilen; unentschiedenen Zuhörer_innen wird verdeutlicht, dass die jeweilige Aussage problematisch ist und nach Widerspruch verlangt. Indem sie Menschen, die einschreiten möchten, unterstützt, trägt die App zu einem demokratischen Miteinander bei.
Für wen ist KonterBUNT gedacht?
KonterBUNT ist für alle gedacht, die sich auf ein mögliches Einschreiten gegen Stammtischparolen vorbereiten möchten. KonterBUNT kann von Einzelpersonen oder Gruppen, z.B. Schulklassen, verwendet werden, um sich mit Stammtischparolen, dem Umgang damit und dem zugrundeliegenden Phänomen „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ auseinanderzusetzen. Die Nutzung ist immer kostenfrei und in den jeweiligen App-Versionen auch offline möglich.
Wer kann die App nutzen und was kostet das?
Die App KonterBUNT. Einschreiten für Demokratie steht kostenlos zur Verfügung. Sie kann bei „Google Play“ für „Android“-Geräte und im „App Store“ für IOS-Geräte heruntergeladen werden. Auf der Website www.konterbunt.de lässt sich die App auch direkt im Browser nutzen.
Warum sind Stammtischparolen überhaupt problematisch?
Wissenschaftliche Untersuchungen und Alltagserfahrungen von Betroffenen zeigen, dass die Abwertung und Diskriminierung von Menschen allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe weitverbreitet ist. Das heißt, dass Menschen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit von anderen abgewertet, diskriminiert und ausgegrenzt werden. Die Person wird dann nicht auf Basis ihrer persönlichen Eigenschaften, sondern „nur“ anhand zugeschriebener Vorurteile gegenüber einer Gruppe, der sie zugeordnet wird, bewertet. Solche Stereotypisierungen können von der Entindividualisierung von Menschen bis zur Entmenschlichung der Gruppenangehörigen reichen.
Im Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) von Wilhelm Heitmeyer werden Vorurteilskategorien gebildet, die sich auf verschiedene Gruppen beziehen und sich in Abwertungen und Diskriminierungen der Gruppenangehörigen ausdrücken. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit richtet sich dabei vor allem gegen Bevölkerungsgruppen, die als Minderheiten bezeichnet werden und/oder sich in einer weniger machtvollen Position in der Gesellschaft befinden. Dabei erfüllt GMF für die Vertreter_innen solcher Vorurteile eine höchst selbstwertdienliche Funktion: Indem die „andere“ Gruppe abgewertet wird, erfolgt eine Aufwertung der eigenen Gruppe.
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zeigt sich auch in uns bekannten Stammtischparolen. Dabei handelt es sich um „drastische Behauptungen, die kein Wenn und Aber zulassen. Sie polarisieren ‚wir sind gut‘ und ‚die Anderen sind schlecht‘ und richten sich mit harten Urteilen gegen Menschen anderer Hautfarbe, Lebensart, Religion oder sozialer Situation“ (Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer).
In modernen Demokratien besitzen alle Menschen die gleichen Rechte und sollen die Möglichkeit haben, so zu leben, wie sie möchten. Dieses Prinzip ist auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert. Die Ausgrenzung oder Abwertung einer Minderheit widerspricht also den Grundsätzen der Demokratie in Deutschland und den universell geltenden Menschenrechten. Stammtischparolen – als eine Erscheinungsform von GMF – sind folglich nicht nur problematische individuelle Einstellungen jener Personen, die andere Gruppen abwerten, sondern auch unvereinbar mit einer offenen Gesellschaft und der liberalen Demokratie insgesamt.
Warum lohnt es sich, gegen Stammtischparolen einzuschreiten?
Stammtischparolen sind Ausdruck Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und unvereinbar mit einer offenen Gesellschaft sowie einer liberalen Demokratie. Sie sind keineswegs bloß leicht dahingesagtes Alltagsgerede – sie können sich festsetzen, verbreiten und in politisches Handeln umgesetzt werden.
Wer Stammtischparolen äußert, ist davon überzeugt, eine Mehrheitsmeinung bzw. den „gesunden Menschenverstand“ auszudrücken. Obwohl die Einstellungen hinter den Parolen tatsächlich weitverbreitet sind, zeigen wissenschaftliche Untersuchungen auch, dass sie von der gesellschaftlichen Mehrheit abgelehnt werden. Stammtischparolen lösen bei den meisten Menschen Emotionen aus: Während sie bei einigen womöglich auf Zustimmung stoßen, fühlen sich viele andere unwohl, abgestoßen oder zumindest unsicher, wie mit solchen Aussagen umzugehen ist. Das Einschreiten unterstützt auch diese verunsicherten Menschen. Gleichzeitig wird Umstehenden, die vielleicht noch unentschieden sind, das Signal gesendet, dass solche Aussagen nicht toleriert werden.
Auch wenn die Person, welche die Parole äußert, nur in seltenen Fällen überzeugt werden kann, dass sie unzutreffenden Vorurteilen aufgesessen ist, bestätigt ein engagierter Widerspruch doch immerhin all jene, die diese Einstellung nicht teilen. Darüber hinaus wird möglicherweise Betroffenen signalisiert, dass die Parole nicht mehrheitsfähig ist. Bei Stammtischparolen gilt es also, einzuschreiten und für eine demokratische Gesellschaft Stellung zu beziehen.
Wie wurden die Themen ausgewählt?
Die Auswahl der Themen, die im Rahmen der App behandelt werden, orientiert sich am Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF, nach Wilhelm Heitmeyer). Dieses Vorgehen bietet sich an, da sich Stammtischparolen vor allem gegen jene Gruppen richten, die im Rahmen dieses Konzepts identifiziert wurden. Da es sich um ein wissenschaftliches Konzept handelt, das einiges Vorwissen und die Vertrautheit mit akademischem Jargon voraussetzt, haben wir im Hinblick auf Verständlichkeit und Alltagsnähe in Rücksprache mit unseren Kooperationspartner_innen, die in den jeweiligen Themenbereichen praxisorientiert arbeiten, Anpassungen vorgenommen. Beispielsweise finden sich nicht alle Dimensionen von Ungleichwertigkeitsvorstellungen, die im GMF-Konzept identifiziert werden, wortgleich in der App wieder. Zudem haben wir eine Auswahl getroffen und einzelne Kategorien zusammengefasst.
Die Kategorie ‚Trans- und Homofeindlichkeit‘ entspricht der GMF-Dimension ‚Homophobie‘. Unter ‚Sozialer Härte‘ wurden die GMF-Dimensionen ‚Abwertung von Langzeitarbeitslosen‘ und ‚Abwertung von Obdachlosen‘ kombiniert. ‚Behindertenfeindschaft‘ entspricht der Kategorie ‚Abwertung von Behinderten‘ im GMF-Konzept. Die Kategorie ‚Abwertung von Asylbewerbern‘ wird in der App als ‚Abwertung von Geflüchteten‘ bezeichnet. ‚Islamfeindschaft‘ und ‚Rassismus‘ werden in der App unter ‚Rassismus‘ gefasst, wobei ‚Islamfeindschaft‘ als ‚antimuslimischer Rassismus‘ verstanden wird. ‚Antisemitismus‘ und ‚Sexismus‘ entsprechen den gleichlautenden Kategorien des GMF-Konzeptes. Die Kategorien ‚Etabliertenvorrechte‘ und ‚Fremdenfeindlichkeit‘ aus dem GMF-Konzept werden in der App vorerst nicht gesondert behandelt.
Wie sind die Parolen und Gegenargumente entstanden?
Ausgehend von den Vorurteilskategorien, die im Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit identifiziert wurden, hat die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhalt zahlreiche Kooperationspartner_innen aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gewinnen können, die praxisorientiert im jeweiligen Themenfeld oder mit Betroffenen von Abwertung und Diskriminierung aufgrund einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit zusammenarbeiten.
Die Kooperationspartner_innen haben eine Auswahl von gruppenbezogenen Vorurteilen und Stammtischparolen getroffen und gemeinsam mit Betroffenen inhaltliche Antwortmöglichkeiten entwickelt. Dabei wurden Vorurteile und Parolen gewählt, die von den Kooperationspartner_innen als typische Beispiele für die jeweiligen Kategorien Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wahrgenommen werden. Die zugehörigen Argumentationsvorschläge sind Antwortmöglichkeiten, die aus Sicht der Betroffenen wünschenswert erscheinen.
In einem Peer-Review-Verfahren wurden die Vorurteile und Parolen diskutiert und die Antworten einer Qualitätsprüfung unterzogen. Die Ergebnisse wurden in drei Workshops unter Beteiligung der Kooperationspartner_innen vorgestellt und diskutiert. An diesen Workshops haben sich auch die Kooperationspartner_innen und Anbieter_innen von Argumentationstrainings des Landespräventionsrats sowie des Zentrums Demokratische Bildung Wolfsburg und Hannover beteiligt.
Wer war an der Entwicklung von KonterBUNT beteiligt?
KonterBUNT ist ein Angebot der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Sie hat es in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhaltentwickelt. Die Parolen und Einführungstexte zu den Vorurteilskategorien wurden von folgenden Kooperationspartner_innen erstellt:
In Kooperation mit:
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Themenschwerpunkt: |
Akademie Waldschlösschen
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Trans und Homo-Feindlichkeit |
Paritätischer Wohlfahrtsverband Niedersachsen
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Soziale Härte |
SoVD Niedersachsen
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Behindertenfeindlichkeit |
Amadeu Antonio Stiftung
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Antisemitismus |
Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) e.V.
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Flucht und Asyl und Rassismus |
Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten / Projekt „Kompetent gegen Antiziganismus“
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Antiziganismus |
IG Metall Jugend Salzgitter/Peine
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Sexismus |
Beratend zur Seite standen die Anbieter_innen für Argumentationstrainings in Niedersachsen: der Landespräventionsrat Niedersachsen sowie das Zentrum für demokratische Bildung Wolfsburg und Hannover.
Wissenschaftliche Beiträge wurden von Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer (Strategieguide der App und der Einführungstext „Was sind Stammtischparolen?“) und Wilhelm Heitmeyer (Einführungstext „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit: Vergiftung von Alltag, Gesellschaft und Demokratie“) verfasst.
Die App und die spielerischen Elemente wurden gemeinsam mit der Berliner Agentur waza! entwickelt.
Idee, Konzept, Gesamtkoordination und Betreuung lagen und liegen bei der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung.
Was ist das Ziel des Minispiels?
Das Minispiel in der App KonterBUNT soll helfen, sich mit möglichen Reaktionen auf Stammtischparolen auseinanderzusetzen. Genau wie im echten Leben geht es dabei nicht darum, die Person, die eine Stammtischparole äußert, sofort zu überzeugen. Ein solches Unterfangen ist meist aussichtslos. Wichtiger sind die Umstehenden, die vielleicht noch Unentschiedenen und eventuell Betroffenen, an die das Signal gesendet werden soll, dass die jeweilige Äußerung problematisch ist. Möglicherweise wirkt die Auseinandersetzung aber auch beim Gegenüber nach. Um dies zu erreichen, im Gespräch zu bleiben und Umstehende nicht zu verschrecken oder gar gegen uns selbst aufzubringen, geht es im Minispiel darum, inhaltlich treffende Antworten und deeskalierende Strategien anzuwenden. Wer eskaliert, verliert!